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Veröffentlichung 29 Feb 2024 · Schweiz

Werden deutsche Apothekerinnen und Apotheker diskriminiert? - Bundesgericht verschärft Nachfolge- und Rekrutierungsprobleme bei Apotheken

6 min. Lesezeit

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Das Bundesgericht hat sich mit der Freizügigkeit deutscher Apothekerinnen und Apothekern befasst, die in der Schweiz in eigener Verantwortung tätig werden möchten. In seinem Urteil verneinte es eine Diskriminierung des von der Freizügigkeit ausgeschlossen Apothekers. Unberücksichtigt blieben die Auswirkungen des damit verbundenen Ausschlusses aus dem System der sozialen Krankenversicherung. Der Entscheid läuft darauf hinaus, dass es deutschen Apothekerinnen und Apotheker versagt ist, pharmazeutische Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abzurechnen. Dies läuft auf ein weitgehendes – wenn auch befristetes Berufsverbot hinaus. Mit seinem Entscheid hat das Bundesgericht die Chance verpasst, einen Beitrag zur Entschärfung des Fachkräftemangels zu leisten.

Die privatwirtschaftliche Ausübung des Apothekerberufes in eigener fachlicher Verantwortung erfordert eine abgeschlossene Weiterbildung. Das Weiterbildungserfordernis gilt für alle universitären Medizinalberufe in der Schweiz – seit 2018 nun auch für Apothekerinnen und Apotheker. Davon unterscheidet sich die Rechtslage im benachbarten europäischen Ausland. Namentlich in Deutschland ist die Approbation ausreichend um eine Apotheke selbständig zu führen. Der hierfür erforderliche Ausbildungsnachweis beschränkt sich auf das Zeugnis über das Bestehen der pharmazeutischen Prüfung. Dies gilt sowohl für die angestellte wie auch selbständige Berufsausübung. Ein Weiterbildungserfordernis als Voraussetzung für das selbständige Führen einer Apotheke ist in Deutschland nicht bekannt.

Angesichts des Fachkräftemangels in der Schweiz stellt sich die Frage, ob ein deutscher Apotheker gestützt auf seine deutsche Approbation berechtigt ist, eine Apotheke in der Schweiz in eigener Verantwortung zu führen. Die Frage stellt sich insbesondere mit Blick auf die europäische Berufsanerkennungsrichtlinie (RL 2005/36/EG) und das Freizügigkeitsabkommen (FZA), zu deren Einhaltung die Schweiz sich verpflichtet hat. Das FZA verbietet namentlich die Diskriminierung von EU-Staatsbürgern, die in der Schweiz ihren Beruf ausüben wollen.

Was hat das Bundesgericht entschieden?

In seinem Urteil 2C_422/2022 vom 16. Januar 2024 ist das Bundesgericht zum Schluss gekommen, dass es einem deutschen Apotheker versagt ist, in der Schweiz in eigener fachlicher Verantwortung als Apotheker tätig zu werden. Der Entscheid betraf einen deutschen Staatsangehörigen mit Apothekerdiplom der Universität Damaskus und Approbation der Apothekerkammer Niedersachsen. Zwar hat die Medizinalberufekommission (MEBEKO) das ausländische Apothekerdiplom anerkannt. Mangels Weiterbildungstitel war dies für die Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung unzureichend. Dies obwohl in Deutschland für die selbständige Berufsausübung keine über das Apothekerdiplom (Approbation) hinausgehende praktische Tätigkeit oder Weiterbildung vorausgesetzt wird.

Keine Diskriminierung

Eine Diskriminierung des deutschen Staatsangehörigen hat das Bundesgericht verneint. Das Gericht war der Auffassung, dass der deutsche Apotheker gestützt auf die ihm erteilte Stellvertretungsbewilligung die Möglichkeit hat, "weitestgehend uneingeschränkt" in der Schweiz als Apotheker tätig zu sein. Aufgrund der ihm erteilten Stellvertretungsbewilligung waren die praktischen Nachteile für das Bundesgericht nicht einsichtig, zumal er "in beschränktem Umfang die Tätigkeit eines Apothekers mit Berufsausübungsbewilligung übernehmen könne". Bis zum Abschluss der zweijährigen Weiterbildung würde die Stellvertretungsbewilligung zur Überbrückung ausreichen. Dies war für das Bundesgericht ausreichend, um allfällige Nachteile des deutschen Apothekers zu rechtfertigen, wenn dieser mangels Weiterbildungstitel zur Berufsausübung in eigener Verantwortung nicht zugelassen wird. Schliesslich weist das Bundesgericht auch darauf hin, dass eine Anerkennung des ausländischen Weiterbildungstitels "zwar nicht vorge­-sehen, aber auch nicht ausgeschlossen" sei – immer vorausgesetzt, dass der ausländische Apotheker überhaupt einen Weiterbildungstitel besitzt, was für Bewerber aus Deutschland eben gerade nicht möglich ist.

Vor diesem Hintergrund stellte das Bundesgericht nur geringe Anforderungen an das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit einer Einschränkung der Freizügigkeit. Für das Bundesgericht genügte dazu die mit der Heilmittelgesetzrevision per 2019 neu eingeführte Befugnis der Apothekerinnen und Apotheker, bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel auch ohne ärztliche Verschreibung abzugeben. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit würden diese erweiterten Kompetenzen eine qualitativ hochstehende pharmazeutische Beratung erfordern.

Auswirkungen auf OKP Leistungen?

Das Bundesgericht befasst sich weder mit dem Fachkräftemangel noch mit den Auswirkungen auf die Abrechnung von pharmazeutischen Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Neu – seit dem 1. Januar 2022 – ist die Bewilligung zur Berufsausübung in eigener Verantwortung nicht nur für die Führung einer Apotheke in eigener Verantwortung erforderlich, sondern auch für das Erbringen von Apothekerleistungen zulasten OKP. Danach dürfen Apothekerleistungen nur zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden, wenn die für den Betrieb verantwortliche Person über eine Bewilligung zur Berufsausübung in eigener Verantwortung verfügt. Ohne abgeschlossene Weiterbildung als Voraussetzung für die Berufsausübungsbewilligung ist eine Abrechnung über die OKP somit nicht mehr möglich.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass das bundesgerichtliche Urteil die bereits bestehenden Nachfolge- und Rekrutierungsprobleme noch weiter verschärfen wird: Je nach Kanton darf die verantwortliche Person nicht für mehrere Betriebsstandorte tätig sein. Im Kanton Basel-Stadt darf die verantwortliche Person "nicht mehr als eine Apotheke führen". Im Kanton Aargau hat sie "mit ihrer Anwesenheit mindestens 60 % der allgemein üblichen Öffnungszeit (Normalöffnungszeit) von 44 Stunden pro Woche abzudecken". In beiden Fällen ist das gleichzeitige Führen mehrerer Betriebsstandorte durch dieselbe Person verunmöglicht. Keine Lösung für den Fachkräftemangel bietet der vom Bundesgericht genannte Stellvertreter ohne eigene Berufsausübungsbewilligung (bzw. eingeschränkter Stellvertreterfunktion). Über die zeitlich beschränkte Dauer hinaus lässt diese Funktion es nicht zu, pharmazeutische Leistungen zulasten der OKP abzurechnen.

Die wirkliche Diskriminierung des vom Bundesgericht beurteilten Weiterbildungserfordernisses zeigt sich in Verbindung mit den neuen Zulassungsanforderungen für die Abrechnung pharmazeutischer Leistungen zulasten der Krankenkassen. Zusammen mit den Zulassungsanforderungen unterläuft das Weiterbildungserfordernis die durch das FZA angestrebte berufliche und geografische Mobilität. Deutschen Apothekerinnen und Apothekern wird nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich die Möglichkeit genommen, in der Schweiz eine Apotheke zu führen (sowohl in selbständiger als auch in angestellter Funktion).

Ohne vorgängig eine zumindest zweijährige Weiterbildung absolviert zu haben, ist es ihnen zudem verunmöglicht, pharmazeutische Leistungen und vergütungspflichtige Arzneimittel zulasten der OKP abzurechnen. Die vergütungspflichtigen Leistungen generieren jedoch einen wesentlichen Teil der Einnahmen aus der Tätigkeit einer Apotheke. Damit ist es deutschen Apothekerinnen und Apothekern verunmöglicht, diese für die Führung einer Apotheke wesentliche Aufgabe in der Schweiz zu erfüllen – jedenfalls bis zum Erlangen eines Weiterbildungstitels.

Das Bundesgericht hat die Auswirkungen auf den Fachkräftemangel und die Abrechnung pharmazeutischer Leistungen zulasten der OKP nicht thematisiert. Dies ist zu bedauern. Die rechtlich relevante Fragestellung bleibt damit ungeklärt.

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