Künstliche Intelligenz (KI) hat tiefgreifende und weitreichende Auswirkungen auf die Werbebranche. Dies mag für jede „kreative“ Industrie gelten, aber ein besonders transformativer Einfluss lässt sich im Bereich der Werbung, Unterhaltung und Medien feststellen. Während sich KI-Technologien weiterentwickeln, beeinflussen sie auch Marketingpraktiken für Markeninhaber und Werbeagenturen.
KI-Serie 2: Künstliche Intelligenz und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Werbebranche

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Der Einsatz fortschrittlicher KI-Tools wie ChatGPT oder generative KI wird im Werbespektrum immer häufiger verwendet. Unternehmen verfügen jetzt über eine Vielzahl von Möglichkeiten, ihre Werbekampagnen signifikant zu verbessern. Diese Fähigkeiten reichen von (i) der Inhaltserstellung über (ii) die Lead-Generierung (z.B. Nutzer, die Anzeigen zu Markenwebsites folgen und Online-Käufe tätigen), E-Mail-Marketing bis hin zu Marktforschung. Insbesondere ermöglicht KI Werbetreibenden, personalisiertere und auch mehr partizipative Erfahrungen für ihre Zielgruppen zu schaffen (zum Beispiel können Werbetreibende ihre Zielgruppen bitten, an Umfragen teilzunehmen oder Kunstwerke basierend auf Logos oder Designs eines Markeninhabers kollektiv zu gestalten).
Interessante praktische Beispiele
Werfen Sie z.B. einen Blick auf www.lalaland.ai, eine Plattform, die fortschrittliche KI einsetzt, um realistische Avatare zu erstellen (d.h. Modelle jeder Körperform, jedes Alters, jeder Grösse und Hautfarbe). Während dies für Einzelpersonen nur eine unterhaltsame Erfahrung sein kann, wird es von Modeunternehmen und Einzelhändlern genutzt, um ein persönlicheres Einkaufserlebnis zu schaffen. Menschen, die Kleidung online kaufen nutzen zunehmend Funktionen , die fiktive Modelle zu porträtieren undihnen eine bessere Vorstellung geben, wie Kleidung an ihnen aussehen könnteEin Kunde könnte beispielsweise seine Körpergrösse, sein Gewicht, seinen Hauttyp, seine Haarfarbe eingeben oder sogar ein Foto hochladen und dann eine digitale Kopie der Kleidung „auf sich“ visuell platzieren lassen. Obwohl solche Käufe fehlerhaft und später bereut werden könnten, ist der Komfort, nicht in Geschäfte gehen und Kleidung anprobieren zu müssen, verlockend. Die zwingenden Widerrufsrechte für Konsumenten in den meisten europäischen Ländern machen dieses Bedauern viel erträglicher.
Ein weiteres Beispiel sind www.adcreative.ai oder www.creatopy.com, beides KI-basierte Plattformen, die es Nutzern ermöglichen, innerhalb von Sekunden Werbeanzeigenzu erstellen. In seiner grundlegendsten/ einfachsten Form muss man nur ein Bild des gebrandeten Produkts, den Namen und Vorschläge für eine Werbebotschaft/ Text hinzufügen. Alsdann erhält man verschiedene vorgeschlagene Werbeanzeigen. Ein paar Schritte weiter geht www.salesforce.com, welches KI-automatisierte Werbung auf ein neues Level bringt. Es ermöglicht nicht nur den Einsatz von Marketing-Tools in einen eigenen Onlineshop, sondern bietet auch Zugang zu tiefergehenden Kundenanalysen oder fügt noch einen Chatbot zur Website hinzu, um Kunden während ihrer "Online-Journey" zu unterstützen (z.B. ein Pop-up-Fenster mit „Fragen? Kein Problem, wir können helfen. Beginnen Sie einfach einen Chat mit einem unserer Verkaufsmitarbeiter“).
Eine noch inklusivere KI-basierte Werbeerfahrung offenbarte die Werbeagentur Ogilvy als diese eine Werbekampagne in Kanada namens „Mix Your Neighborhood“ durchführte. Dabei wurden spezielle Cocktails basierend auf teilnehmenden Einzelpersonen erstellt, um die kulturell vielfältige und einzigartige Population Kanadas zu verkörpern (weitere Details hier: https://www.ogilvy.com/work/world-absolut-cocktails).
Tendenz zur Schaffung eigener generativer KI-Tools
Generative KI, mit ihrer Fähigkeit, neue Inhalte basierend auf vorbestehenden Daten zu erstellen, ist eine entscheidende Kraft bei der Neugestaltung von Werbepraktiken. Unternehmen wie Meta und Google stehen an der Spitze der Eiführung generativer KI, um eigene dynamische, massgeschneiderte Anzeigen zu erstellen. Werbetreibende können so Inhalte bereitstellen, welche die KI wiederum wiederverwenden wird, um neue Anzeigen für andere Nutzer zu generieren. Im Unterhaltungsbereich nutzen Plattformen wie Roblox und TikTok ebenfalls generative KI, um Nutzern die Erstellung interaktiver Erfahrungen zu ermöglichen. Obwohl Bedenken hinsichtlich der „Kreativität“ solcher Ausgaben bestehen (die Inhalte werden mehr und mehr aus umgestalteten Inhalten basierend auf vorhandenen Inhalten bestehen, was eine Art „Remix-Kultur“ vorantreibt, ein Paradigmenwechsel, der auch in der Musikindustrie beobachtet wurde und den kreativen Funken vermissen lässt, den wir in dieser Branche vor etwa 20 Jahren noch kannten), wird dies zweifellos die Arbeitsweise von Werbetreibenden und Markeninhabern verändern. Beispielsweise könnten Markeninhaber versucht sein, Werbeergebnisse vorzuentwerfen und Werbetreibende nur noch für ihre Kernkompetenz zu engagieren, d.h. für die Anpassung, Überprüfung oder Perfektionierung von Werbekampagnen. Andererseits werden Werbeunternehmen auch in KI-Tools investieren (sei es eigens entwickelt oder ausgelagert), um ihren initialen Lieferprozess zu beschleunigen und sich sodann mehr auf ihre Kernarbeit (Individualisierung, Verfeinerung) zu konzentrieren.
Rechtliche Implikationen der Nutzung von KI in der Werbung
Die Integration von KI in die Werbung wirft auch eine Vielzahl rechtlicher Fragestellungen auf, die sorgfältige Bewertungen und proaktive Maßnahmen erfordern. Bedenken hinsichtlich Urheberrechtsverletzungen, Konsumentenschutz und Datenschutz sind in der Ära des KI-gesteuerten Marketings von großer Bedeutung und erfordern vor allem Transparenz seitens der Branchenakteure. Verlautbarungen von Regulierungsbehörden unterstreichen die Bedeutung transparenter Werbepraktiken und die Einhaltung rechtlicher Standards im digitalen Marketing.
- Abhängig vom Grad der menschlichen Beteiligung an bestehenden Werken werden KI-generierte Werke manchmal Urheberrechte an einem anderen bestehenden urheberrechtlich geschützten Werk verletzen. Da viele KI-Systeme riesige Datenmengen an bestehenden Werken ohne eine Vorfilterung oder Rechte-Compliance-Prüfung ansammeln, können durchaus Rechtsverletzungen während des Ausgabeprozesses stattfinden;
- Aus diesem Grund bieten die meisten KI-Plattformen keine Zusicherungen und Gewährleistungen, dass ihre Materialien nicht Rechte Dritter verletzen. Darüber hinaus können Nutzer solcher Plattformen möglicherweise nicht immer das Eigentum an KI-generierten Inhalten erlangen und/oder nicht in der Lage sein, Eigentumsrechte an ihre jeweiligen Kunden zu übertragen. Bestimmte KI-Plattformen erlauben nicht einmal die kommerzielle Nutzung ihrer KI-generierten Inhalte. Letzteres sollte berücksichtigt werden, bevor in solche Entwicklungsprojekte investiert wird;
- Das wahrscheinlich am weitesten verbreitete rechtliche Risiko im Zusammenhang mit KI-basierter Werbung ist darin zu sehen, dass KI-Tools Fehlinformationen verbreiten können. Dies kann Rechtsansprüche wegen z.B. unlauterer Werbung und betrügerischer Praktiken auslösen. Die am häufigsten bekannten und bisher entdeckten unrechtmässigen Praktiken sind die KI-basierte Erstellung von Deepfake-Videos, Klone persönlicher Stimmmerkmale, das Platzieren von Anzeigen in einem weit verbreiteten KI-Tool mit der Absicht sie neben den KI-Suchergebnissen zu platzieren, oder der Verkauf gefälschter Ansichten, Likes und Follower;
- Diverse Regulierungsbehörden haben in Verlautbarungen Unternehmen gewarnt, KI-Tools nicht in einer Weise einzusetzen, die eine voreingenommene oder diskriminierende Auswirkungen haben könnte. Während dies eine implementierungsbezogene Frage ist, sollten Nutzer von KI-Tools in der Werbebranche generell vorsichtig sein, Anzeigen zu erstellen, die voreingenommene Botschaften replizieren, die in diskriminierender Weise zum Ausschluss bestimmter Minderheitsgruppen führen könnte;
- Da KI-basierte Bild-Programme die Erstellung von Deepfake-Fotografien oder -Videos (z.B. von Personen, die gar nicht an einer bestimmten visuellen Umgebung beteiligt sind) ermöglichen, stellen sich auch datenschutzrechtliche Fragen, zumal identifizierende Merkmale einer Person ohne deren Einwilligung oder vorherige Information verwendet werden. Die Erstellung und kommerzielle Nutzung solcher Fotografien (sozusagen „Doppelgänger“ eines Gesichts oder anderer persönlicher Merkmale) stellt auch eine Verwendung fremder Persönlichkeitseigenschaften dar. Dies kann Persönlichkeitsansprüche der beteiligten Personen auslösen (z.B. Zahlungsverpflichtungen für eine implizite „Persönlichkeitslizenzierung“). Letzteres dürfte insbesondere für Prominente relevant sein, die es gewohnt sind, ihre Persönlichkeitseigenschaften im weitesten Sinne zu kommerzialisieren (right of publicity);
- Influencer-Marketing stellt eine Werbepraxis dar, die sich hauptsächlich in der Internet-/YouTube-Ära der letzten 10 Jahre entwickelt hat. Im Wesentlichen loben oder empfehlen Einzelpersonen Produkte oder Dienstleistungen in eigens hochgeschalteten Videos ohne eine offensichtliche Verbindung zum Markeninhaber zu haben (die sogenannten „Influencer“). Die Schweizer Werbe- resp. unlauterer Wettbewerbsgesetzgebung erfordert Transparenz mit Bezug auf allfällige Verbindungen solcher Influencers zu Markeninhabern und dem Erhalt jeglicher finanzieller Vorteile,. Leider nutzen Influencer auch KI-Tools, um vermeintliche Merkmale eines Produkts zu optimieren wenn sie ein Produkt in einer nicht wahrheitsgetreuen Weise empfehlen (z.B. ihre Haut nach der Verwendung einer Schönheitscreme übermässig sauber aussehen lassen oder ihre Muskeln nach der Verwendung eines empfohlenen Proteinshakes übermäßig gross aussehen zu lassen). Idealerweise sollten Markeninhaber spezifische rechtliche Bestimmungen in ihre Vereinbarungen mit Influencern bezüglich des Einsatzes von KI-Tools aufnehmen.
Ausblick
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Aufkommen von KI in der Werbung einen gewaltigen Wandel in der Branche darstellt. Es bietet Unternehmen beispiellose Möglichkeiten, Werbung zu optimieren, Kundenbindung zu fördern und personalisierte Produkterlebnisse zu schaffen. Nur durch eine verantwortungsvolle und transparente Nutzung von KI-Technologien lassen sich die transformative Kraft dieser KI nutzen und gleichzeitig rechtliche Fallstricke umgehen. Aus konzeptioneller Perspektive entstehen auch Risiken wenn übermässig auf generative KI abgestellt wird, nämlich der Verlust von Kreativität und Markenidentität. Das ideale Ergebnis effektiver Werbung liegt wohl in der Balance zwischen der Nutzung von KI-Fähigkeiten und menschlicher Kreativität, um Innovation beschleunigt zu fördern und dennoch eine einzigartige Marke auf dem Markt zu erhalten.
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